„Immer bin ich in mir so allein. Ich vermute, dass andere es anders haben in sich, vollständiger und weniger ausgesetzt. Aber woher soll ich das wissen, mir fehlt der Untergrund. Weit und breit kein festes Land, nur Wasser und ein Nacken, an dem ich mich festhalten will. Und wie rutschig der sein kann, hat die Geschichte gezeigt, zumindest der Teil, an den ich mich erinnern kann. Und im Grund war der Ausgang (das Stranden) von Anfang an klar, hätte mir klar sein müssen, (…).“
Die Gesellschaft im Ausnahmezustand. Olga Flor zeichnet in ihrem neuen, als Erinnerungsgeflecht gestalteten Roman „Die Königin ist tot“ kein schönes Weltbild. Düster geht es her. Raum für Gefühle bleibt kaum. Viel zu eng ist die Welt von Lilly, der Erzählerin, die eine Gefangene ihrer eigenen Geschichte ist. Lilly, die in erster Linie die Frau von Duncan ist , einem mächtigen Medienmacher. Duncan, dessen Namensvetter aus dem Shakespeare’schen Stück „Macbeth“ stammt und der – wie allseits bekannt – ja kein schönes Ende findet.
Das Ehepaar lebt in naher Zukunft in Chicago, das von Bürgerunruhen geprägt ist. Zwei Kinder gibt es auch. Weder Lilly noch Duncan haben Kontakt zu ihnen. Dafür gibt es eine Gärtnerin, ein Kindermädchen und unzählige Sicherheitsleute, die das in der Öffentlichkeit stehende Paar bewachen und für Lilly die einzige Schnittstelle zum Leben „draußen“ bilden. Während im ersten Teil des Romans Lilly in ihrem von der Realität abgeriegelten Haus am Strand ihr Dasein fristet, ihren Mann und sich selbst beim Leben beobachtet, wird aus der passiven Gattin des Medienmoguls im zweiten Teil jene, die die Handlung vorantreibt. Dazu muss sie allerdings erst von Duncan durch eine jüngere Frau ausgetauscht und an dessen Stellvertreter abgegeben werden. Und nicht nur seinen Stellvertreter überlässt er ihr, sondern auch seine Wohnung im 68. Stock. Jene Wohnung in jenem gläsernen Hochhaus am Meer, in dem die damals 26-Jährige Liftgirl war, bevor sie mit dem mächtigen Duncan im Lift intim geworden ist und sich so von der unteren zur obersten Gesellschaftsschicht befördern ließ. Die 45-jährige in Wien geborene und in Graz beheimatet Olga Flor erzählt in vier Teilen eine Tragödie von Macht und Medien, von Mann und Frau. Und lässt sich mit diesem Werk ungeschaut neben Kathrin Röggla, Elfriede Jelinek und Marlene Streeruwitz stellen.
Olga Flor „Die Königin ist tot“
Zsolnay Verlag, Wien 2012
222 Seiten, 18,90 Euro